HEIN GORNY, New Objectivity and Industry

 

12.02.2016 bis 27.05.2016

 

 

Ausstellung kuratiert von Antonio Panetta und François Hébel.

 

Eine co-produktion von Collection Regard und Foto/Industria 2015.

 

Diese Ausstellung wurde im Rahmen von Foto/ Industria zwischen den 3.10. und 1.11.2015 , im Genus Bononiae, Museo de la Storia di Bologna, gezeigt.

 

Hein Gorny war ein erfolgreicher Industrie- und Werbefotograf der 1930er Jahre, der deutschlandweit namhafte Unternehmen zu seinen Auftraggebern zählte. Die Ausstellung präsentiert erstmals ein breites Spektrum dieses Schaffens und leistet so einen bedeutenden Teil zur Geschichte der deutschen Industriefotografie der 1930er Jahre in Deutschland.

Gorny war zu Beginn der 1920er Jahre nach Hannover gekommen, einer Stadt, in der damals sowohl die Industrie als auch die künstlerische Avantgarde blühten. Dass beide durchaus mit einander in Einklang gebracht werden konnten, bewiesen kunstbeflissene Industrielle, indem sie ihre Unternehmen und Waren durch künstlerische Gestaltung aufwerteten und damit vor allem junge Künstler förderten. In diesen Kreisen entwickelte sich Gorny zu einem bald sehr gefragten Fotografen.

Viele der Firmen, für die er ab Anfang der 1930er arbeitete, zählten international zu den Marktführern ihrer Sparte. Jenen Unternehmen ist zu eigen, dass sie hohen Wert auf Ästhetik und Gestaltung legten, nicht nur im Hinblick auf ihre Waren sowie die Architektur und die Produktionsstrukturen, sondern auch in ihrer Repräsentation im Bild.

Gornys Bildsprache greift jene fotografischen Strömungen auf, deren Verbreitung eng an die Theorien des Bauhaus und den Deutschen Werkbund geknüpft sind. So organisierte letzterer die einflussreiche Wanderausstellung Film und Foto (1929) und gab die Zeitschrift die form heraus – in beiden war Gorny mit Beiträgen vertreten. Während im Neuen Sehen durch den experimenteller Umgang mit Licht und Material die Grenzen des Sehens ausgelotete wurden, waren in der Neuen Sachlichkeit die spezifischen fotografischen Eigenschaften der Schlüssel zu einer sachlichen und objektiven Wiedergabe der Welt. Gorny brachte die Ansprüche seiner Auftraggeber, die freilich auch ein ökonomisches Interesse an den Lichtbildern hatten, in Einklang mit den Merkmalen des Neuen Sehens und der Neuen Sachlichkeit und fand einen angewandten Stil, indem er extreme Perspektiven oder zu abstrakte Kompositionen abmilderte.

So stehen am Anfang der Ausstellung einige Experimente, die frei oder am Rande der Auftragsarbeiten entstanden. In ihnen manifestiert sich am stärksten, was durch die Neue Fotografie möglich geworden war, nämlich die industrialisierte Welt und ihre Produkte aus einer neuen Perspektive zu sehen und so abzubilden. Makro-Aufnahmen und wiederkehrende Anordnungen lassen die Beschaffenheit und Formen der oftmals industriell gefertigten Waren hervortreten, die zu beinahe abstrakten Kompositionen zusammentreten.

In den Produktfotografien für Bahlsen und Pelikan kann nachverfolgt werden, wie diese Gestaltungsprinzipien ihre Anwendung fanden: Im Bildaufbau rekurriert Gorny ganz bewusst auf die dynamischen Bildfindungen des Neuen Sehens, lässt aber stets der einwandfreien Lesbarkeit den Vorrang. Schließlich sollte die sachliche und standardisierte Darstellungsform dem Betrachter ermöglichen, die abgebildeten Waren sowie deren Zweck und Qualität schnell zu erfassen.

Neben der Produktabbildung war die Dokumentation der Produktion selbst, sei es modernste Maschinentechnik oder präzise Handarbeit, ein wesentliches Themenfeld. Hierdurch wurden nicht nur hochwertige Arbeitsschritte festgehalten und vermittelt, sondern auch die moderne Architektur und Arbeitsbedingungen in Szene gesetzt. Die Aufnahmen hatten letztlich den Zweck, in den regelmäßig erscheinenden Firmenzeitschriften oder anlässlich von Formenjubiläen in aufwendig gestalteten Festschriften über die Fortschrittlichkeit und Sozialverträglichkeit zu berichten. Dabei waren die Bilder ein immanenter Teil einer nach innen wie außen gerichteten Kommunikations-Strategie, was auch anhand einiger publizistischer Objekte der Zeit vor Augen geführt wird.

Einen außergewöhnlicher Beitrag bilden die Farbfotografien, die Gorny für die Strumpfwaren-Fabrik Rogo anfertigte. Es handelt sich dabei um seltene Farbaufnahmen der Produktionsstätte als auch um Produktaufnahmen, in denen Gorny die Vorzüge des Materials raffiniert zur Geltung bringt. Darüberhinaus wurde der Auftrag von einem Assistenten Gornys dokumentiert und zu einem einmaligen „Making-of“-Buch gebunden.

Nicht nur durch das Portfolio der in den Aufnahmen versammelten Unternehmen leistet die Ausstellung einen wichtigen Beitrag für die Geschichte der Industriefotografie. In Gornys zeitlosen Bildfindungen sind jene Sachlichkeit und Fortschrittswille vereint, mit denen die Unternehmen den Anforderungen ihrer Zeit begegneten. Hein Gorny war ein Vertretern der Industriefotografie, der das Formenvokabular und die Experimente der Neuen Fotografie in die alltägliche Fotopraxis überführte und selbst ein Meister dieses angewandten Stils wurde.

Laura Benz

Zu dieser Ausstellung erschient ein Katalog der Collection Regard: „Hein Gorny, New Objectivity and Industry“

Mit einem Vorwort von Marc Barbey und einem Text von Laura Benz

Herausgegeben von Collection Regard

Design: Andreas Koch, Berlin

Format: 27 x 22 cm

30 Abbildungen, 44 Seiten

Softcover

Deutsch und English

Lieferbar

Preis 18,90€ zzgl. Versand

Hein Gorny, New Objectivity and Industry
Untitled (Rogo-stockings) ca. 1935 gelatin silver print (ca. 1935) 22,9 x 17,1 (23,1 x 17,3) © Hein Gorny ─ Collection Regard
Untitled (Rogo-stockings) ca. 1935 gelatin silver print (ca. 1935) 22,9 x 17,1 (23,1 x 17,3) © Hein Gorny ─ Collection Regard
Pressebilder "Hein Gorny, New Objectivity and Industry"
Pressebilder zur Ausstellung Hein Gorny
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